Heitere Gelassenheit strahlt Hans Wucherer aus. Der 82-Jährige Alphirte lebt und arbeitet auf der Alpe Bachschwanden in 950 Meter Höhe bei Wiederhofen im Oberallgäu. Dort, wo er im Sommer 1936 geboren wurde, hat er sein ganzes Leben verbracht.
Laut Alpwirtschaftlichem Verein zählt er zu den dienstältesten Älplern im Allgäu. Hans ist ein typischer „Mächler“, so nennen die Allgäuer handwerklich begabte und kreative Menschen. Als geschickter Handwerker war er bis weit ins Tal gefragt. Als den „Wasser-Hans“ kennt man ihn in der Gegend, weil er für die Allgäuer Herdebuchgesellschaft Quelleinfassungen und Wasserleitungen baute. Acht Jahre Volksschule und drei Jahre landwirtschaftliche Berufsschule haben ihm gereicht, um durchs Leben zu kommen. Den Rest hat er sich abgeschaut.
Hans Wucherer hat eine Mission: „Am Tag des Herrn soll niemand kommen und mir vorwerfen, dass ich ihm nichts vom Evangelium gesagt habe“. So ist er immer und überall ein freudiger Bekenner seines Glaubens. Bis zum Jahr 2009 fanden im Sommer regelmäßig Berggottesdienste auf seiner Alpe statt, zu denen er stets das ganze Tal, samt Politprominenz, einlud.
Bereits in den 1930-er Jahren bekannten sich im Bereich Wiederhofen die ersten Seelen zur Neuapostolischen Kirche. Auch Hans Eltern und seine Onkel waren seit 1935 neuapostolische Christen in der sehr katholisch geprägten Gegend. Gefragt, ob das zu Konflikten geführt hat, meint Hans: „Die Wucherer Buben waren Haudegen, da hat sich Keiner getraut“.
Hans Wucherer wurde 1936 getauft und von Bezirksapostel Georg Schall versiegelt. Im Winter fuhr die ganze Familie mit Skiern zum Gottesdienst nach Oberstaufen, im Sommer ging es zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Nach dem zweiten Weltkrieg kaufte seine Großmutter, inzwischen auch neuapostolisch, einen „Primus“ Traktor, um alle Geschwister aus der Gegend um Wiederhofen und Geratsried mit 10 PS und 16 Stundenkilometern zum Gottesdienst nach Oberstaufen, später nach Seltmans, zu befördern.
Von 1951 bis 2003 war Wiederhofen mit heute ca. 150 Einwohnern (davon acht neuapostolische Christen) eine eigenständige Gemeinde und mit 980 m über N.N. die höchst gelegene neuapostolische Gemeinde Deutschlands, die von Immenstadt aus seelsorgerlich betreut wurde.
Hans Vater war Metzger, Landwirt, Drechsler und Bergsenn, der die Milch seiner Kühe vor Ort zu Käse verarbeitete. Ab 1965 lieferten sie die Milch ins Tal, seit 1966 mit einer selbstgebauten Seilbahn. Die Wucherers versorgten sich weitgehend selbst. "Geld war Mangelware", erinnert sich Hans. Auch viele lange und oftmals strenge Winter hat er erlebt. 1968 hat Hans Wucherer die Alpe gemeinsam mit seiner Frau Hedwig übernommen und bis 1998 Milch geliefert. „Meine Produkte waren schon „Bio“, als noch keiner das Wort gekannt hat“, schmunzelt er. Ab 1999 hielt er „Grauvieh“-Mutterkühe. 66 Jahre kümmerte sich Hans um Jungvieh, auch von anderen Bauern. 2015 hat er die Alpe an seinen Sohn Siegfried übergeben.
Hans verlässt die Alpe auch im Winter nicht, anders als viele seiner Älplerkollegen. Zu tun gibt es immer was. Wenn die Alpe zugeschneit ist, steht er oft an der Rechenstielfräse und fertigt Besenstiele. Geduldig und mit ruhiger Hand bearbeitet er das Holz: "Wenn man es nicht mit Liebe tut, geht es nicht." So hat es Hans im Leben und im Glauben immer gehalten. Bis heute ist er bescheiden geblieben. Warme Mahlzeiten braucht er nicht. Ihm reichen meist ein Ranken Käse oder ein Stück Wurst. Was ihn das Leben auf der Alpe gelehrt hat? „Das man zufrieden sein muss, mit dem was man hat - ich bin glücklich und dankbar für alles, was mir der liebe Gott geschenkt hat."
BU1: Hans Wucherer (82) lebt und arbeitet auf der Alpe Bachschwanden bei Wiederhofen im Oberallgäu.
BU2: Mit dem „Primus“ ging es zum Gottesdienst. (Foto: privat)
BU3: Besenstiele dreht Hans im Winter, wenn es draußen außer Schneeräumen nichts zu tun gibt.
BU 4: Die Alpe Bachschwanden liegt auf 950 Metern bei Wiederhofen im Oberallgäu (Foto: privat)
BU 5: Im Sommer 2007 hielt Apostel Günter Eckhardt den Berggottesdienst auf der Alpe Bachschwanden. (Foto: privat)
BU 6: Bezirkältester Harald Hiltensberger (rechts) dankt Hans Wucherer nach dem Berggottesdienst für die Bereitstellung seiner schönen Alpe. (Foto: privat)
BU: Hans Wucherer Portrait
Nicht anders gekennzeichnete Fotos und Text: Petra Tibken